Der Einzug in mein selbstbestimmtes Leben

von Süleyman Kurt und Heinz Grabher

Süleyman Kurt nimmt die Geschenke der Besucher seiner neuen Wohnung entgegen.
Süleyman Kurt nimmt die Geschenke der Besucher seiner neuen Wohnung entgegen.

Es gibt Träume, die kann niemand aufhalten. Solch ein Traum wird für mich nun Wirklichkeit. Nach 23 Jahren Leben in einem Lebenshilfe-Wohnhaus ziehe ich zum ersten Mal in meinem Leben in eine eigene Wohnung. Mein Name ist Süleyman Kurt. Ich bin 43 Jahre alt, von Geburt auf Spastiker. Ich benötige zur Fortbewegung einen Elektrorollstuhl und organisiere mein Leben mit Persönlicher Assistenz. Es war ein langer Weg. Der Glaube an meine Kraft, die erlernte Selbstermächtigung und viele Menschen haben geholfen meinen Traum zu verwirklichen.

Sechs Jahre lang war ich auf der Suche nach einer – für einen Elektrorollstuhlfahrer – geeigneten Wohnung. Es gab immer wieder telefonische Zusagen der Vermieter. Wenn sie mich dann gesehen haben, bekamen sie es mit der Angst zu tun und ich bekam eine Absage mehr.

Meine Geduld hat sich nun gelohnt. Am 1. Juli ziehe ich in eine drei-Zimmer-Wohnung in Dornbirn. Die gesamte Wohnanlage ist barrierefrei. Wenn ich mit meinem Elektrorollstuhl heranbrause, bekommt der Lift ein Signal und fährt ins Erdgeschoss. Die Eingangstüre zur Wohnanlage öffnet sich automatisch. Nun kann ich zum ersten Mal in meinem Leben Gäste einladen zu einer Flasche Bier oder einem Glas Whisky und den Blick von meiner Terrasse auf den First und den Staufen genießen. Ich möchte mir selber beweisen, dass ein Leben in Selbständigkeit mit schwerer Behinderung möglich ist und anderen Mut machen den Schritt in die Freiheit, in die Eigenverantwortung zu wagen. 

Bis zu meinem 20. Lebensjahr wohnte ich bei meinen Eltern. Dann zog ich in ein Lebenshilfe-Wohnhaus. Dabei war ich immer umsorgt und gut ver- und gepflegt. Außerdem hatte ich eine gewisse Narrenfreiheit bei der Lebenshilfe. Allerdings konnte ich nicht nach Lust und Laune mal früher oder später aufstehen. Einen Tagesablauf außer der Norm musste ich rechtfertigen und gut begründen, wenn ich Erfolg haben wollte. Das kann ich auch verstehen. Meiner Meinung nach kann jedoch eine große Institution, die nur für Menschen mit Behinderungen eingerichtet ist, die Teilhabe der Betroffenen am Gesellschaftlichen Leben nicht erfüllen. Selbstbestimmtes Leben funktioniert nicht in großen Wohnhäusern. Je kleiner die Wohneinheit, desto eher können die individuellen Wünsche und Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigt werden.

Viele Institutionen und Menschen haben mich auf meiner Wohnungssuche begleitet und unterstützt: Ifs-Fundament, Caritas – Leben in Selbständigkeit, Reiz – Selbstbestimmt Leben und das Land Vorarlberg. Ich möchte mich bedanken beim ganzen Netzwerk von Helfern, das zum Gelingen meines Vorhabens mitgewirkt hat. Besonderer Dank geht an mein Peer Beraterteam, das mich stärkt und mir die Fähigkeit gibt selbst die Verantwortung über mich und mein Leben zu übernehmen, dem Land Vorarlberg für die finanzielle Unterstützung, dem Verein Reiz – Selbstbestimmt Leben als Arbeitgeber und der VAG – Vorarlberger Assistenz Gemeinschaft bei der Hilfe der Organisation meiner Persönlichen Assistenz.

Wer mehr Informationen über Selbstermächtigung, Selbstbestimmt Leben oder Persönliche Assistenz möchte, lade ich ein auf unserer Homepage www.reiz.at zu schmökern, oder mit mir Kontakt aufzunehmen.

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